Chronik

Chronik des Fernmeldeamtes Gießen

Eine Dokumentation der geschichtlichen Entwicklung des Fernmeldewesens in Mittelhessen

 

Vorwort

Die nachstehende Dokumentation ist ein Versuch, die geschichtliche Entwicklung des Post- und Fernmeldewesens in der Region Mittelhessen, d.h. auf dem Gebiet des späteren Fernmeldeamtes Gießen, darzustellen. Dabei ist der Schwerpunkt auf die Historie des Fernmeldedienstes gelegt, der in den frühen Jahren noch eng mit dem Postwesen verknüpft war.

Auf eine detaillierte Darstellung der wechselnden politischen Verhältnisse und der daraus resultierenden unterschiedlichen Gesetzeslagen, die letztlich zu den Entwicklungen vor Ort führten, wird aus Gründen einer besseren Verständlichkeit des Textes weitestgehend verzichtet.

Da mit der Durchführung und dem Abschluss der letzten Stufe der Postreform auch das Ende der Verwaltungseinheit „Fernmeldeamt Gießen“ verbunden war, ist eine geschichtliche Aufarbeitung dieser Epoche und deren Veröffentlichung angebracht.

Die Dokumentation erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie basiert vielmehr auf dem Stand der zurzeit vorliegenden, meist sekundären historischen Quellen und kann durch zusätzliche Erkenntnisse und Informationen zum Thema erweitert und fortgeschrieben werden.

Die Ereignisse sind wegen der besseren Übersicht chronologisch gegliedert. Eine Quellenangabe findet sich am Ende der Aufzeichnungen.

Dieter Pfeiffer

 

Die Entwicklung des Fernmeldewesens im 19. Jahrhundert

 Im direkten Zusammenhang mit der verkehrsmäßigen Erschließung der mittelhessischen Region  durch die Eisenbahnen steht auch die Entwicklung des heimischen Fernmeldewesens. Die schneller gewordenen Transportwege forderten in der Konsequenz auch schnellere Nachrichtenwege. Zudem schufen die neuen Bahnstrecken neben den Verläufen der alten Handelsstraßen zusätzliche Trassen für die Telegrafenlinien und förderten so eine zunehmende Vernetzung der einzelnen Stationen.

1862 Auf Veranlassung der Fürstlichen Thurn- und Taxis`schen Postverwaltung wird in der Bahnhofstraße in Gießen mit dem Bau eines Posthauses begonnen.

 

1863 Nach Beendigung der Bauarbeiten im Oktober können am 5. November die neuen Diensträume bezogen werden. Die Kosten für den Neubau belaufen sich auf 80.274 Gulden. Der Bau wird dem Fürsten von Thurn- und Taxis „für seine Person gutgeschrieben“.

Die damals schon bestehende Telegrafenbetriebsstelle ist weiterhin behelfsmäßig in angemieteten Räumen untergebracht.

Die bestehende Kleinstaaterei behindert die Entwicklung des Post- und Fernmeldewesens in der Region. Besondere Verträge regeln die postalischen Verhältnisse zwischen dem Königreich Preußen und dem Herzogtum Nassau, deren Territorien sich an Lahn und Dill berühren.

Im Oktober regelt ein Vertragswerk mit der Nassauischen Staatseisenbahn die Mitbenutzung der zwischen Oberlahnstein und Wetzlar aufgestellten Telegrafenstangen durch die Preußische Telegrafie, die berechtigt wird, 5 Leitungsdrähte anzuhängen. Die Unterhaltung der Linie fällt unter  die Zuständigkeit der Nassauischen Bahnverwaltung. Für die Mitbenutzung zahlt die Preußische Verwaltung 1000 Gulden jährlich an Nassau.

In seiner Ausgabe vom 1. Dezember 1863 berichtet das Wetzlarer Kreisblatt:

„Zu Wetzlar im Regierungsbezirk Coblenz wird am 1. f. Monats eine Telegraphenstation mit beschränktem Tagesdienst eröffnet werden.

Berlin, den 24. November 1863. Königliche Telegraphen-Direktion.“

Schon kurz darauf, am 5. Dezember, warnt ein Artikel im gleichen Blatt vor den Folgen von Beschädigungen an den Telegrafenanlagen:

„Die längs der Chausseen und anderen Landstraßen geführten Telegraphenleitungen sind häufig der muthwilligen Beschädigung, namentlich durch Zerstörung der Isolatoren mittels Steinwürfen ausgesetzt …“.

Die angedrohten Strafen sind drastisch und werden im Artikel ebenfalls beziffert. Je nach Schwere der Vergehen warten auf die erwischten Täter Freiheitsstrafen zwischen „6 Monaten Gefängnis und 10 Jahren Zuchthaus.“

Leiter und einziger Mitarbeiter der neu gegründeten Wetzlarer Telegrafenstation wird der Obertelegrafist Mengin, der das Amt bis zum 30. September des Jahres 1869 ausübt.

Ausgerüstet ist die Station mit einem Telegrafenapparat, der zunächst an die Leitung Wetzlar –  Bad Homburg – Frankfurt angeschlossen wird. Kurze Zeit später kommt eine zweite Anschlußleitung Gießen-Koblenz hinzu.

 

1864 Bereits im ersten Betriebsjahr der Wetzlarer Station werden 516 Telegramme abgesetzt und 547 in Empfang genommen. Die Einnahmen beziffern sich 1864 auf 201 Taler.

 

1866 Entlang der Trasse der Lahntalbahn bestehen bereits Telegrafenstationen u. a. in Diez, Limburg, Runkel, Villmar, Aumenau, Weilburg, Stockhausen, Braunfels-Bahnhof, Albshausen und Wetzlar-Bahnhof.

 

1868 Durch die Änderungen der politischen Verhältnisse und des daraus resultierenden Übergangs des Thurn- und Taxis`schen Postwesens an den Staat erfolgt im Juni die Übernahme des Giessener Posthauses durch die Königlich-Preußische Staatsregierung.

Am 1. März wird in Marburg die erste Telegrafenstation eingerichtet. Vorsteher ist der „Obertelegraphist“ Arnold.

Auszüge des Schriftverkehrs zwischen der Postverwaltung und der Stadt Marburg:

  Einrichtung einer Telegraphen-Station dahier

Frankfurt/M. den 3. Dezember 1867

Herrn Ober-Bürgermeister zu Marburg
Behufs Verwendung zu einer Telegraphen-Station und als Dienstwohnung für den künftigen Stations-Vorsteher sind wegen Anmietung der Beletage nebst 2 Mansarden im Hause der Witwe I.H.G. Römheldt dortselbst mit der letzteren Verhandlungen eingeleitet. Dieselbe fordert für die genannten Räumlichkeiten eine jährliche Miethe von 200 Reichsthaler.

Den Herrn Ober-Bürgermeister ersuche ich, den darüber bestehenden Bestimmungen entsprechend ganz ergebenst, um baldgefällige Rückäußerung, ob der geforderte Preis ortsüblich genannt werden kann.

Der Ober-Telegraphen-Inspektor

 

 

 

Frankfurt/M. den 17. Dezember 1867

An den Herrn Bürgermeister zu Marburg
Indem ich Ew. Wohlgeboren benachrichtige, dass ich beabsichtige, die bel Etage des Römheldt`schen Hauses behufs Einrichtung einer Telegraphen-Station zu miethen, ersuche ich ergebenst um baldgefällige schriftliche Mitteilung, dass Seitens der Stadt und der Polizei-Behörde gegen die hierzu erforderliche oberirdische Zuführung der Leitungen nichts einzuwenden ist.
Neben den Tractus bleibt nähere Vereinbarung vorbehalten.
Der Ober-Telegraphen-Inspektor

 

 

 

Königliche Polizeidirektion dahier mit dem Ersuchen um gefällige Anfügung der verlangten Bescheinigung.
gez. Ober-Bürgermeister

…. daß Seitens der unterzeichneten Polizeidirektion gegen die überirdische Zuführung der Leitungen zu einer Telegraphen-Station in der Beletage des Römheldt`schen Hauses dahier nichts einzuwenden ist, wird hiermit bescheinigt.
Marburg, den 20. Dezember 1867
Königliche Polizei-Direktion

 

Obiger Bescheinigung schließt sich für die Stadt an

Marburg, den 21. Dezember 1867

gez. (Unterschrift)

 

 

 

Marburg, den 2. März 1868

Dem Königlichen Oberbürgermeisteramt

Die ganz ergebenste Anzeige, dass seit gestern hierselbst eine Bundes*)-Telegraphen-Station eröffnet und der Vorsteher derselben, Ober-Telegraphist Arnold nebst Familie in dem Hause der Witwe Römheld eingezogen ist.

Bundes-Telegraphen-Station

(gez. Unterschrift)

*) Norddeutscher Bund

 

 

  Am 10. Dezember richtet die „Königlich Preußische Telegraphenverwaltung“ in Biedenkopf im Haus Marktplatz 17 eine Telegrafenstation ein. Die Ausübung des Telegrafendienstes wird dem Kaufmann Ferdinand Plitt übertragen.

 

1870 Am 1. Juli verlegt der Biedenkopfer Telegrafist Plitt seinen Wohnsitz nach Darmstadt. Die Telegrafenstation wird daraufhin in ein Gebäude in der Hainstraße 41 verlegt und die Dienstgeschäfte dem Ingenieur Louis Fronhäuser übertragen.

Die Marburger Telegrafenstation ist in die Klasse II eingestuft.

Auch in Weilburg wird der Ruf nach einer eigenen Telegrafenanlage immer lauter. Im Jahr 1870 kommt der Ober-Telegraphist und Leitungsrevisor Flory aus Frankfurt nach Weilburg, um die Realisierung einer solchen Anlage zu prüfen und die Anbindung an bereits bestehende Linienführungen festzulegen. Die Einrichtung der Telegrafenstation im Obergeschoß des Posthauses und der Bau der Line, die am Tiergarteneck an die bestehende Trasse Wetzlar – Usingen – Frankfurt Anbindung finden soll, werden schon bald in Angriff genommen.

 

1872 Am 16. August wird die „Telegraphenanstalt Dillenburg“ eingerichtet. Der Telegrafenapparat System „Lewert“ ist an die Ruhestromleitung 820 (Frankfurt/M. –  Wetzlar – Dillenburg – Siegen – Hagen – Schwerte) angeschlossen.

Im Bezirk Limburg geht zum 16. Oktober der Telegrafendienst auf die Postanstalten über. Auch wird versucht, die Postagenturen mit Telegrafengeräten auszurüsten und über Morseleitungen an das Amt Limburg anzuschließen.

Ebefalls am 16. Oktober nimmt die Telegrafenanlage im Weilburger Postamt ihren Betrieb auf. Gleichzeitig werden Morseleitungen zu den umliegenden Postagenturen in Betrieb genommen. Die Dienststunden werden übereinstimmende mit den Dienstzeiten des Postamtes festgelegt.

Nach der Inbetriebnahme der Weilburger Telegrafenstation steht der Bahntelegraf im Bahnhof zwar noch zur Verfügung. Die Nutzung wird jedoch ab dem März 1867 wesentlich eingeschränkt und ist künftig nur noch auf Bahnreisende beschränkt.

In der Zeit zwischen dem 16. Oktober und dem 31. Dezember werden in der Weilburger Telegrafenstation insgesamt 323 Telegramme aufgegeben und 280 empfangen. Bereits im Jahr darauf steigen die Verkehrszahlen an. An aufgegebenen Depeschen sind 1469 und an empfangenen 1445 vermerkt.

In der Wetzlarer Telegrafenstation endet am 30. Mai die Amtszeit des „Mechanikus“ Rexroth, der die Stelle seit dem 30. September 1869 innehatte. Sein Nachfolger, der Obertelegraphist Gebauer, versieht den Dienst bis zum 1. Dezember 1875, dem Datum der Vereinigung der Telegrafenstelle mit dem Wetzlarer Postamt. Von Gebauer ist überliefert, dass er es nicht hätte „verwinden können, künftig bei einer nachgeordneten Dienststelle tätig zu sein“ und habe sich deshalb nach Koblenz versetzten lassen.

Zum Zeitpunkt der Zusammenlegung mit dem Postamt ist die Wetzlarer Telegrafenstelle wie folgt ausgestattet:

4 Morseapparate mit Blauschreibern

4 galvanische Elemente

4 Blitzableiter

Anschluss hat die Station an folgende Leitungen:

1 Telegrafenleitung Frankfurt – Wetzlar – Hagen

1 Telegrafenleitung Worms – Frankfurt – Wetzlar – Gießen

1 Telegrafenleitung Gießen – Wetzlar – Koblenz

Darüber hinaus besteht eine Telegrafenleitung zu den Stationen in den Bahnhöfen der „Cöln-Mindener Bahngesellschaft“ und der „Nassauischen Bahn“ in Wetzlar.

Die erbrachten Dienstleistungen der Station belaufen sich auf täglich ca. 18 aufgegebene und ca. 9 ankommende Telegramme. An Durchgangstellegrammen werden täglich ca. 9 gezählt. Die Jahreseinnahmen belaufen sich auf ca. 4000 Mark.

 

1874 Die Telegrafenstelle Frankenberg wird dem Postamt angegliedert.

 

1875 Am 1. Juli kommt es zur Vereinigung der Biedenkopfer Telegrafenanstalt mit dem dortigen Postamt.

 

1876 Am 1. März wird auch das Telegrafenamt Marburg mit dem dortigen Postamt vereinigt. Das Telegrafenzimmer wird in das 2. Stockwerk „mit Aussicht auf den Pilgrimmstein“ verlegt. Die Diensträume für den technischen Dienst befinden sich im 1. Stock.

Um der Landbevölkerung die Nutzung des Telegrafen im Weilburger Posthaus zu erleichtern, werden ab dem 1. November 1876 die Landbriefträger ermächtigt, auf ihren Botengängen Telegramme zur Beförderung entgegenzunehmen.

 

1877 Ab dem 1. August besteht eine Morseleitung zwischen Weilburg und Mengerskirchen.

 

1879 Am 16. März kommt es zur Inbetriebnahme einer „Spar-Leitung“ von Biedenkopf nach Breidenbach.

Aus einem Rapport des Postamtes Limburg/Lahn:

„Am 1. April wurde bei der Postagentur in Dehrn der Telegraphenbetrieb eingerichtet. Mit der Ausbildung des Sohnes des Postagenten Stahlheber wurde der Postgehilfe Schlau beauftragt. Am 17. Mai 1879 hat der Posthaltersohn Johann Ludwig Stahlheber die Befähigung zur selbstständigen Bedienung des Apparates und zur vollständigen Wahrnehmung des Telegraphendienstes bei einem Verkehrsamt nachgewiesen.“

Am 25. März wird erstmals ein Telefongespräch von Dillenburg aus nach Eibelshausen geführt. Die Leitung wird wenig später für den Betrieb freigegeben. Ein Artikel in der lokalen Presse berichtet darüber:

 

Zeitung für das Dillthal, 26. März 1879

Locales und Provinzielles.

Dillenburg. „Eine Unterhaltung per Distance wurde gestern auf mehr als 2 Stunden Entfernung bei vollstem gegenseitigen Verständnis zur großen Erheiterung einiger Anwesenden auf hiesigem Postbureau geführt. Ruf, Antwort, alsdann gegenseitiges Sprechen oder Lesen, sogar Pfeifen war auf die große Entfernung vollständig deutlich in allen Einzelheiten, äußere Ruhe vorausgesetzt, verständlich.
Dieses Wunder vollzog sich vermittelst der nunmehr fertiggestellten Telephonleitung zwischen hier und Eibelshausen, welche als vollständig gelungen anzusehen ist und deren Übergabe an den Verkehr in den nächsten Tagen erfolgen dürfte.“

„Der Anruf geschieht durch Blasen in ein an den Apparat dicht angehaltenes kleines Instrument, dessen Stift durch Anschlag an das empfindliche Membran des Telephons an die Endstation den Ton vermittelt.
Den Apparat alsdann an die Ohrmuschel geführt, ist die Antwort des Angerufenen, der an seinem Orte gegen das Membran des Apparates spricht, sowie jeder Tonfall seiner Rede, sogar die Klangfarbe der Stimme genau verständlich, resp. erkennbar. Ebenso ist dasjenige, was hier in den Apparat hineingesprochen wird, an der Endstation sofort zu hören.
Selbstverständlich ist es erforderlich, dass, wenn Irrtümer sollen ausgeschlossen bleiben, auf der jeweiligen Sprechstation laut, langsam und deutlich gesprochen, auf der Hörstation das Verständnis nicht durch äußerliches Geräusch gestört wird.“

 

 

1880 Die Dillenburger Fernsprechleitung wird 1880 bis nach Straßebersbach weitergeführt. Im Jahr 1883 erfolgt der Anschluß Fronhausens. 1884 kommt Wissenbach und 1885 Steinbrücken dazu. Die erste Fernsprechanbindung Oberschelds an Dillenburg datiert aus dem Jahr 1891.

Um den steigenden Verkehr zu bewältigen, wird ab dem 9. Februar in der Weilburger Telegrafenstation der volle Tagesdienst eingeführt.

Am 20.11. wird in Aumenau eine Morse-Betriebsstelle eingerichtet.

 

1882 Die Telegrafenbetriebsstelle Gießen wird aus den angemieteten Räumen in der Schulstraße in das 1. Stockwerk des im Winter 1881/82 umgebauten und erweiterten Posthauses in der Bahnhofstraße verlegt. Die Kosten für die Umbauarbeiten belaufen sich auf 30.000 Mark.

In Weilburg ist erstmals eine Morse-Telefon-Betriebsstelle erwähnt.

In Wetzlar wird eine zusätzliche Leitung zum Telefonieren in Betrieb genommen.

In Marburg erwirbt die Postverwaltung ein Grundstück in der Bahnhofstraße und beginnt dort mit dem Bau eines neuen Posthauses.

 

 
  Verschlussmarke für Telegramme

 

1884 Einschaltung der Telegrafenstelle Breidenbach in die Ruhestrom-Leitung 882 (Frankfurt/M. – Marburg/Lahn – Siegen). Wegen erheblicher Störungen, die durch die Meldeleitungen der neu eröffneten Eisenbahnlinie Marburg/Lahn – Laasphe verursacht werden, kann die bisherige „Spar-Leitung“ nicht mehr verwendet werden.

Die Marburger Telegrafenstelle zieht um in das neu errichtete Postgebäude in der Bahnhofstraße. In einer Notiz vom 30. März ist vermerkt: Die Telegrafenleitungen befinden sich an einer einzigen Stange und sind in der Nordseite des Gebäudes eingeführt. Auf dem Dach besteht ein turmartiges rechteckiges Eisengestänge zur Abspannung der Fernsprechleitungen. Es wird erst nach der Verkabelung im Jahr 1930 abgebrochen.

 
  Marburger Posthaus in der Bahnhofstraße. Auf dem Dach das Abspanngestell für die Freileitungen

 

 

1885 Beim Postamt Limburg/Lahn werden für „aufgelieferte Telegramme“ 2.722 Mark vereinnahmt. Täglich kommen hier etwa 13 Telegramme an, 11 werden „aufgeliefert“ und 27 Durchgangstelegramme bearbeitet.

Zwischen Weilburg und Aumenau wird erstmals Telefonverkehr erwähnt.

 

1887 Das Postamt Limburg/Lahn verfügt über 4 Morseleitungen:

Ltg. Nr. 757 von Koblenz nach Gießen

Ltg. Nr. 841 von Diez nach Frankfurt/M.

Ltg. Nr. 853 von Koblenz nach Gießen

Ltg. Nr. 862 über Niederbrechen nach Frankfurt/M.

Dazu eine Fernsprechleitung Nr. 862 von Limburg/Lahn über Montabaur nach Hillscheid. An Geräten sind 7 Morse- und ein Fernsprechapparat vorhanden.

 

1888 In einem Raum neben der Telegrafenbetriebststelle im 1. Stock des Posthauses wird die erste Gießener Fernsprechvermittlung eingerichtet. Mit der Fernsprechtechnik kommt nun auch an Lahn und Dill eine neue Form der Nachrichtenübermittlung zur Anwendung, die sich in der Folgezeit weit schneller entwickeln wird, als die bisher vorherrschende Telegraphie.

In Limburg/Lahn beginnen am 7. Juni die Bauarbeiten zu einem neuen Post- und Telegrafengebäude. In einem Erlaß des Reichspostamtes Berlin vom 29.12. 1885 war bereits festgestellt worden, dass das bisherige Gebäude „weder der Gesundheit der Beamten noch den Bedürfnissen des Publikums zuträglich sei“ und durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Das alte ehemals von dem Posthalter Joseph Oberst erbaute Thurn und Taxis`sche Posthaus wird daraufhin vollständig abgerissen.

 

1889 Am 1. November nimmt die sogenannte Giessener „Stadtfernsprecheinrichtung“ mit 55 Fernsprechstellen und 53 Teilnehmern ihren Betrieb auf. Die technische Ausstattung besteht aus 2 Klappenschränken mit je 50 Anrufeinheiten, 8 Schnurpaaren für die Orts- und 4 Schnurpaaren für Fernverbindungen, einem Handmikrofon, einem Fernhörer und einem Wecker. Als Gesprächszeitmesser für die Ferngespräche dienen 4 Sanduhren. Die Stromversorgung wird mit „Daniel`schen Kupferelementen nass-offen“ realisiert. Von der Vermittlungsstelle aus führen Freileitungen über Dachgestänge zu den Teilnehmern. Die noch sehr einfach ausgestatteten Fernsprech-Wandapparate werden durch Trockenelemente gespeist. Der Betrieb ist von 8 bis 21 Uhr mit 2 Beamten besetzt.

In Limburg/Lahn wird nach nur einjähriger Bauzeit am 1. Dezember das neue Post- und Telegraphenhaus eröffnet. Sein Baustil zeigt die Formen der in den neunziger Jahren verbreiteten deutschen Renaissance (Neo- Klassizismus). Die Fassaden sind aus roten Verblendziegeln hergestellt, während die Architekturteile aus Mainsandstein bestehen, der aus den Steinbrüchen von Boxtal am Main stammt.

Im 2. Geschoß des Gebäudes sind der 60 qm große Telegrafen-Apparatesaal und das Batteriezimmer untergebracht. An dem kleinen turmartigen Gebäudeteil am Seiteneingang Frankfurter Straße befindet sich das Abspanngestänge für die oberirdischen Leitungen.

Die Gesamtkosten des Neubaues betragen 129.578 Mark und 28 Pfennige.

 

 
  Limburger Posthaus aus dem Jahr 1889

 

 

Schreiben zur geplanten ersten Kabelverlegung zum neuen Limburger Postamt:

Frankfurt/Main, den 7. October 1889

„An den löblichen Magistrat zu Limburg/Lahn

Es wird beabsichtigt die in Limburg/Lahn vom östlichen Ausgange des Lahnhofs an dem Wege nach Eschofen bis zum neuen Postamte oberirdisch geführte Telegraphenlinie gelegentlich der Inbetriebnahme des neuen Postgebäudes in eine unterirdische Kabellinie umzuwandeln. Mit der Aufnahme der dieserhalb erforderlich werdenden Verhandlungen habe ich den Kaiserlichen Telegrapheninspector Herrn Ebert beauftragt.

Den löblichen Magistrat ersuche ich ergebenst, gleichfalls einen Beamten bestimmen und uns gefälligst bezeichnen zu wollen, mit welchem der hierseitige Beauftragte in Verbindung zu treten haben würde.

Der Kaiserliche Ober-Postdirector“

 

Bau von „Spar-Leitungen“ von Biedenkopf nach den umliegenden Ortschaften.

 

1890 Bei der Telegrafenbetriebsstelle Gießen bestehen direkte Morseverbindungen im „Arbeitsstrombetrieb“ mit Berlin, Darmstadt, Frankfurt/M und Mainz.

Im „Ruhestrombetrieb“ wird gearbeitet auf den Leitungen:

Kassel – Wabern – Fronhausen – Gießen – Friedberg – Frankfurt/M.,

Gießen – Lich – Hungen – Büdingen – Gelnhausen und

Gießen – Grünberg – Mücke – Alsfeld – Lauterbach – Fulda.

Der Zahl der Fernsprechteilnehmer im Ortsnetz Gießen steigt auf 75. Gesprächsverbindungen werden nur in der Zeit von 8 bis 21 Uhr hergestellt und sind auf das Gießener Ortsnetz beschränkt. Auf besonderen Antrag und gegen Zahlung einer Zusatzgebühr können außerhalb der Dienststunden Teilnehmer fest zusammen geschaltet werden. Bei Dienstschluss werden diese Dauerverbindungen hergestellt und bei Dienstbeginn am nächsten Morgen wieder getrennt.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, außerhalb der Dienstzeiten mehrere Teilnehmer über eine gemeinsame Schiene in der Vermittlung mit der Feuerwehr oder Polizei zu verbinden. Diese Teilnehmer hatten um 21 Uhr ihren Apparat über einen Umschalter abzuschalten und durften nur im Bedarfsfalle wieder einschalten. Die ordnungsgemäße Abschaltung wurde vom Amt überwacht.

Als einziger Vermittlungsbeamter ist der Postgehilfe Seibel eingesetzt. Er wird nach 42 Jahren, am 1.11. 1932 als Postamtmann und Abteilungsleiter der Telegrafen- und Fernsprechbetriebsstelle nach Gießen zurückkehren.

Über den Ortsbering hinaus führen sogenannte „Sparleitungen“ zu den dem Postamt Gießen angegliederten Postagenturen und kleineren Poststellen. Auf diesen Leitungen werden nur Telegramme gesendet, aber noch keine Gespräche geführt. Außerdem bestehen private Telegrafenanlagen, die auch für Gespräche zwischen größeren Industriebetrieben wie Buderus Lollar und Buderus Wetzlar benutzt werden.

In der Telegrafenstation im Weilburger Posthaus wird am 5. August ein zweiter Telegrafenapparat in Betrieb genommen.

 

1891 Das Gießener Posthaus wird an die städtische Wasserleitung angeschlossen.

 

 
  Anmeldung eines Fernsprechanschlusses an die Gießener Stadtfernsprecheinrichtung vom 5. März 1891.

 

1892 Mit dem Anschluss einer Telegrafenleitung nach Mensfelden wird die Ausweitung des Limburger Telegrafennetzes in den Landbereich eingeleitet. Die Leitung verläuft entlang der Frankfurter Straße als oberirdische Linie über Linter nach Mensfelden. Eine weitere Linie wird entlang des Eschhöfer Weges nach Eschhofen eingerichtet.

Von Weilburg nach Ulm wird die erste Fernsprechleitung eingerichtet.

 

1893 Der Amtsbereich des Postamts Gießen mit 20416 Einwohnern umfasst 2 Verkehrsanstalten, 11 Agenturen und 12 „Hülfsstellen“ mit einem Personalbestand von 110 Kräften. Davon 42 Beamte und 72 Unterbeamte.

Aus einem Rapport des Postamtes Gießen vom 23. Januar:
Der „TS“ Lindhorst, Inhaber der Giessener Telegraphenbetriebsstelle und der Fernsprechstelle beschäftigt 7 Beamte und 3 Unterbeamte.

Neben dem „Postamt mit Telegraphenbetrieb“ bestehen eine „Zweigstelle des Postamtes mit Telegraphenbetrieb“ und die „Stadtfernsprecheinrichtung“.

An Telegrammgebühren werden vereinnahmt: 1890 17.053 Mark
1891 16.731 Mark
1892 17.621 Mark

Der Telegrammverkehr wird über 16 Fernleitungen und eine Bahnhofsverbindungsleitung (Gießen 1 – Gießen 2 – Bahnhof) abgewickelt. Ausgerüstet ist die Betriebsstelle mit 24 Schreibapparaten, davon 4 Reservegeräte. Das tägliche Verkehrsaufkommen beziffert sich auf etwa 77 abgehende und 73 aufgenommene Telegramme. Hinzu kommen etwa 108 Durchgangstelegramme.

Bis zum 23. Januar ist die Zahl der Gießener Fernsprechteilnehmer auf 91 angestiegen, die im Ortsnetz insgesamt 111 Fernsprechapparate betreiben.

An Gebühren werden vereinnahmt: 1890 11.981 Mark
1891 12.365 Mark
1892 14.766 Mark

Für die Beleuchtung der Giessener Betriebsräume wird am 30. Januar versuchsweise das „Auer`sche“ Gasglühlichtlicht eingeführt. Wie einem Bericht vom 11. Januar zu entnehmen ist, wurde der Anschluss an das „in Aussicht stehende Elektrizitätswerk“ nicht beabsichtigt.

In Marburg geht am 25. September mit etwa 50 Teilnehmern die „Stadtfernsprecheinrichtung“ in Betrieb.

 

1894 Im 1. Stockwerk des Giessener Postgebäudes sind der Telegrafen-Apparatesaal, das Fernsprechzimmer und der Batterieraum untergebracht.

Am 12. Oktober wird die Verlegung der Hauptpost in das Stadtzentrum aus Kostengründen abgelehnt. Allein die Verlegung der Telegrafen- und Fernsprechleitungen hätte 43.000 Mark kosten sollen. Zusätzlich seien an jährlichen Personal- und Fahrkosten 18.000 Mark angefallen.

Am 1. April besucht der Staatssekretär des Reichspostamtes, Herr Dr. von Stephan in Begleitung des Herrn OPR Gieseke die Post- und Fernmeldeeinrichtungen in Gießen.
Anlässlich des Besuches „Seiner Excellenz des Herrn Staatssecretärs“ kam die geplante Erweiterung des Postgebäudes zur Sprache. „Seine Excellenz“ äußerte sich u.a. dahingehend, daß bei dem Entwurf für die geplante Erweiterung die etwaige spätere Einrichtung eines selbständigen Telegrafenamtes außer Betracht gelassen, hauptsächlich aber auf die Erweiterung der Fernsprechvermittlungsstelle Rücksicht genommen werden soll.“

Weiter wird berichtet, dass das Fernsprechzimmer für 2 Beamte zu klein gewesen sei und die Vergrößerung des Telegrafen-Apparatesaales in den nächsten 10 Jahren nicht erforderlich sein müsse.

Die Anzahl der angeschlossenen Teilnehmer hat sich fünf Jahre nach der Eröffnung der Giessener Fernsprechvermittlung verdoppelt

 

1895 In Frankenberg/Eder wird die Fernmeldestelle im Postgebäude in der Bahnhofstraße untergebracht.

In Limburg werden weitere „Spar-Leitungen“ und eine Bahnhofsverbindungsleitung in Betrieb genommen. Der Gerätebestand erhöht sich auf 11 Morse- und 3 Fernsprechapparate.

Erstmals wird der Fernsprechverkehr zwischen Limburg und Aumenau aufgenommen.

Die 1894 gegründete erste Nenderother Postagentur im Haus des Christian Reinhold Haas in der Schulgasse wird 1895 mit einer Telegrafenstation ausgerüstet.

 

1898 Mit einem Kostenaufwand von 130.954 Mark wird das Giessener Postgebäude in der Bahnhofstraße umgebaut.

Erstmalig wird die Einstellung „weiblicher Personen“, sogenannte Fernsprechgehilfinnen erwähnt.

Am 13. März veröffentlichet der „Wetzlarer Anzeiger“ folgende amtliche Bekanntmachung:

„Die Erstellung einer Stadtfernsprecheinrichtung in Wetzlar soll im neuen Rechnungsjahr zur Ausführung kommen, sofern mindestens 20 Anschlüsse beantragt werden und die Teilnehmer zu den Kosten aus dem Betrieb der zum Anschluß an das allgemeine Fernsprechnetz erforderlichen Verbindungsleitung Wetzlar – Gießen eine Jahreseinnahme von 400 Mark auf die Dauer von fünf Jahren gewährleisten …“

Es melden sich 28 Interessenten und bereits am 25. Juli 1898 wird der Fernsprechbetrieb in Wetzlar aufgenommen. Über eine Leitung nach Gießen werden Gespräche auch schon in die an der Strecke liegenden Ortschaften vermittelt. Eine weitere Leitung nach Koblenz kommt kurze Zeit später hinzu.

Fast gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der Wetzlarer Fernsprechvermittlung beginnt auch die Erschließung der Dörfer.

Verfügung der Oberpostdirektion Frankfurt vom 25. August 1898:

„Es hat sich das Bedürfnis herausgestellt, den Bewohnern des platten Landes und der kleineren Städte mehr als bisher den Vorteil einer Fernsprechverbindung mit ihrem nächsten wirtschaftlichen Hauptort zu verschaffen …“

In einer Verhandlung am 19. März 1898 zwischen dem Limburger Bürgermeister Schlitt und dem Vertreter der Oberpostdirektion Frankfurt, dem Postinspektor Frosch wird der Aufbau einer „Stadtfernsprecheinrichtung“ in Limburg beschlossen. Die erforderlichen Anschlussleitungen sollen zunächst über Telegrafenstangen oder über entsprechende Vorrichtungen oberirdisch über die Dächer geführt werden.

Die erste Weilburger Fernsprechvermittlung nimmt ihren Betrieb auf.

Die Marburger Hauptpost wird durch eine Telegrafenleitung mit der Postzweigstelle verbunden.

 

1899 Am 24. März findet im Auftrag der Kaiserlichen Oberpostdirektion Darmstadt die Abnahme der Umbauarbeiten am Gießener Posthaus statt. Postbaurat Perdisch und Postdirektor Ritzert übergeben die erweiterten Bauteile an den Betrieb. Die Neuerungen bestehen hauptsächlich in einer Verlängerung des Hauptgebäudes und der Errichtung des Fernsprechturmes zum Abspannen der oberirdischen Fernsprechleitungen.

Ein Rapport erwähnt erstmals die Limburger „Stadtfernsprecheinrichtung“. An das Ortsnetz sind 34 Teilnehmer angeschlossen. Das tägliche Gesprächsaufkommen beläuft sich auf etwa 72 Verbindungen.

Um den Limburger Wirtschaftsunternehmen eine bessere Anbindung an das expandierende Fernsprechnetz zu ermöglichen, wird die Schaltung einer neuen „Fernsprechfernleitung“ beschlossen, die von Limburg aus über Staffel und Montabaur nach Koblenz führen soll.

Mit der Einrichtung von öffentlichen Fernsprechzellen wird begonnen.

Die Telegrafendienststelle Limburg erhält den ersten „Klopferapparat“ zu Übungszwecken.

Am 1. November nimmt die „Allgemeine Stadtfernsprecheinrichtung“ in Dillenburg mit 18 Haupt-, 3 Nebenanschlüssen und einer öffentlichen Sprechstelle ihren Betrieb auf. Schon nach einem Jahr hat sich die Zahl der Teilnehmer auf 36 Haupt- und 13 Nebenstellen erhöht.

letzte Aktualisierung 15.01.2014 (Jg. 1882 u. 1884)